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Die Anhebung der Nivellierungssätze bei der Grund- und der Gewerbesteuer in Rheinland-Pfalz: Wieso, weshalb, warum?

Mit der Reform des Kommunalen Finanzausgleiches (KFA) und der Änderung des Landesfinanzausgleichsgesetzes Rheinland-Pfalz (LFAG) am 24. November 2022 wurden auch die Nivellierungssätze bei den Realsteuern (Grund- und Gewerbesteuer) angehoben.

Kommunale Gremien debattieren aufgrund der aktuell stattfindenden Haushaltsberatungen sehr intensiv und kontrovers über diese Änderung, die in der Regel auch Auswirkungen auf die jeweilige Haushaltsplanung in den kommunalen Gebietskörperschaften haben dürfte. Von „Steuererhöhungen durch die Hintertür“ ist die Rede, Resolutionen werden auf Ebene der Verbands- und Ortsgemeinden verfasst und beschlossen. Ingesamt wird eine sehr emotionale Debatte darüber geführt.

Als Haushalts- und Finanzpolitiker habe ich mich sehr intensiv an der politischen Debatte rund um die KFA-Reform beteiligt und dabei natürlich die in der Reform enthaltenen Erhöhungen der Nivellierungssätze analysiert. Wer mich kennt, weiß, dass ich als Politiker den Anspruch verfolge, Entscheidungen der Politik nicht generell zu emotionalisieren, sondern hinter die Kulissen zu blicken, zu versachlichen und die Argumente objektiv und transparent darzustellen.

Aufgrund der recht leidenschaftlichen Debatte in den kommunalen Gremien, die natürlich auch in Richtung der gesamten Bevölkerung ausstrahlt, möchte ich meine Sichtweise auf diese Thematik verdeutlichen und ein bisschen zur Versachlichung der Debatte beitragen.

Doch der Reihe nach:

Was regelt der Kommunale Finanzausgleich (KFA)?

Der Kommunale Finanzausgleich findet seine Grundlage im geltenden Verfassungsrecht. Das Grundgesetz (Art. 28 Abs. 2 GG) und die Landesverfassung (Art. 49 LV RLP) garantieren die so genannte „Kommunale Selbstverwaltung“.

Art. 28 Abs. 2 GG: „Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.“

Vereinfacht gesagt, gewährleistet das Grundgesetz den Kommunen das Recht, ihre Angelegenheiten vor Ort in eigener Verantwortung zu regeln („Selbstverwaltung“). Um diese Selbstverwaltung leisten zu können, braucht es aber – wie immer im Leben – auch die nötigen finanziellen Ressourcen. Dabei stehen den Kommunen zur Finanzierung ihrer Aufgaben mehrere Geldquellen zur Verfügung:

Zunächst die Gemeindesteuern und das Aufkommen aus Gebühren und Beiträgen (originäre Einnahmen). Unter den Gemeindesteuern versteht man die Einnahmen aus den Realsteuern (Grundsteuer A und Grundsteuer B, Gewerbesteuer) sowie die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern (wie Schankerlaubnis-, Jagd- und Fischerei-, Getränke-, Hunde- und Vergnügungsteuer). Gebühren und Beiträge entstehen beispielsweise im Bereich der Friedhofsgebühren oder wiederkehrenden Ausbaubeiträge.

Da diese Mittel zur Erfüllung der örtlichen Aufgaben i.d.R. nicht ausreichen, werden diese durch das Land Rheinland-Pfalz ergänzt: Mit dem so genannten Kommunalen Finanzausgleich. Für besondere Zwecke werden im Rahmen des KFA außerdem auf Antrag besondere Finanzzuweisungen (Zweckzuweisungen) gewährt.

Warum wurde der KFA reformiert?

Mit Urteil vom 16. Dezember 2020 hat der Verfassungsgerichtshof (VerfGH) Rheinland-Pfalz festgestellt, dass ein angemessenes Verfahren fehle, um den Finanzbedarf der Kommunen insgesamt zu ermitteln, auch im Verhältnis zum Finanzbedarf des Landes (Az.: VGH N 12/19, VGH N 13/19, VGH N 14/19). Zusammenfassend stellte das Verfassungsgericht also nicht fest, dass das Land generell zu wenig Mittel in den Kommunalen Finanzausgleich speist, sondern dass die Ermittlung des Finanzbedarfes und eine bedarfsorientierte Verteilung der Finanzausgleichsmittel zu erfolgen hat.

Insoweit waren Regierung und Parlament gefordert, das System des Kommunalen Finanzausgleichs spätestens mit In-Kraft-Treten zum 01.01.2023 auf ein gänzlich neues System zu transferieren und das LFAG entsprechend zu ändern. Die Forderung nach einer KFA-Reform folgte also letztlich aus der Verfassungsrechtsprechung aufgrund von eingereichten Klagen einiger Kommunen.

Der Zeitraum für die Reform von 2 Jahren war dabei für die verantwortlichen politischen Institutionen der Gesetzgebung und – in besonderem Maße – für die Landesregierung extrem herausfordernd. Insbesondere vor dem Hintergrund der Krisenbewältigungen der Corona-Pandemie, der Flutkatastrophe und nicht zuletzt auch wegen der Folgen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine am 24. Februar 2022. Federführend wurde die KFA-Reform durch das Ministerium des Innern bearbeitet, begleitet wurde das Verfahren durch das Finanzministerium.

Nähere Informationen zur Reform im Detail, was da genau geändert und reformiert wurde, kann man sich auf der Internetseite der Landesregierung RLP genauer betrachten. Eine kleine persönliche Zusammenfassung finden Sie auch hier auf meinem Blog.

Was sind Nivellierungssätze?

Die kommunale Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 Abs. 2 GG (siehe oben) gibt den Kommunen zwar zunächst das Recht, ihre örtlichen Angelegenheiten selbst zu regeln. Die kommunale Finanzhoheit, die ebenfalls hieraus resultiert, umfasst zudem auch die Befugnis zu eigenverantwortlicher Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft, d.h. im Rahmen eines gesetzlich geordneten Haushaltsrechts frei über die zur Verfügung stehenden Finanzmittel zu disponieren; dazu gehört auch die Steuer- und Abgabenhoheit der Gemeinden (Quelle: Gutachten des WID des Bundestages aus 2022). Eine Kommune hat also das Recht zur Selbstverwaltung, aber auch die Eigenverantwortung hinsichtlich der Bewirtschaftung ihrer Einnahmen und Ausgaben. So hat sie beispielsweise nach dem geltenden Haushaltsrecht den Haushalt jeweils auszugleichen.

Diese kommunale Finanzhoheit wird durch das Recht der Kommunen auf gewisse Einnahmen ausgefüllt. So stehen den Gemeinden beispielsweise die Erträge aus der Grundsteuer und der Gewerbesteuer (Realsteuern) zu.

Wer sich die Regelungen dieser Realsteuern betrachtet (Grundsteuer-/Gewerbesteuergesetz), stellt fest, dass die Kommunen die Höhe ihrer Steuereinnahmen in diesen beiden Bereichen eigenständig im Rahmen ihrer Selbstverwaltung regeln. Dazu nutzen sie das Instrument der so genannten „Hebesätze“. Der jeweilige Steuermessbetrag wird also durch die Finanzbehörden festgestellt und mit einem von der jeweiligen Kommune festgelegten Hebesatz multipliziert. Damit ist die Besteuerung dem Grunde und der Sache nach zwar überall bundesweit grundsätzlich gleich, aber der Höhe nach auf kommunaler Ebene, auch innerhalb von Bundesländern, recht heterogen. Die Frage, mit welchem Hebesatz der Steuermessbetrag multipliziert wird, entscheidet die Kommune im Rahmen ihrer jeweiligen Selbstverwaltung.

Rechenformeln (vereinfacht):

Grundsteuer = Einheitswert x Steuermesszahl x Hebesatz

Gewerbesteuer = Gewerbeertrag x Steuermesszahl x Hebesatz

Und was hat all das mit dem Kommunalen Finanzausgleich und den Nivellierungssätzen zu tun?

Nicht nur der KFA selbst wird im LFAG geregelt, sondern auch die Festsetzung der so genannten Nivellierungssätze. Beide Regelungen finden also ihre Grundlage im selben Gesetz und stehen auch in unmittelbarer Verbindung zueinander. Mit der Festsetzung der Nivellierungssätze im LFAG wird ein landesweit einheitliches Steuereinnahmenniveau bei der Grund- und der Gewerbesteuer festgelegt. Man legt also einen landesweit nivellierten Hebesatz fest, der die Steuereinnahmepotentiale vereinheitlichen soll, unabhängig von der individuellen tatsächlichen Einnahmeausschöpfung vor Ort.

Häufig besteht auf kommunaler Ebene ein Irrtum hinsichtlich der unmittelbaren Rechtsfolgen dieser Nivellierungssatzanpassungen im LFAG. Einige Kommunalpolitiker:innen gehen davon aus, die Anpassung der Nivellierungssätze regele unmittelbar die Höhe der jeweiligen Hebesätze vor Ort. Man unterstellt, dass die Hebesätze zeitlich und der Höhe nach immer genau den Nivellierungssätzen im LFAG entsprechen müssten.

Zwar will ich nicht ausblenden, dass die Anpassung der örtlichen Hebesätze an die landesweit einheitlichen Nivellierungssätze in aller Regel erfolgt, aber theoretisch ist die Annahme, das eine verursache das andere ohne Weiteres gleich in zweierlei Hinsicht falsch. Denn einerseits hängt die Frage, wie hoch der jeweilige Hebesatz sein muss/kann/darf, immer zunächst am kommunalen Haushaltsrecht (also z.B. zur Verpflichtung zum Haushaltsausgleich und zur wirtschaftlichen Haushaltsführung und der Ausschöpfung der Einnahmepotentiale). Andererseits gibt es bspw. finanzstarke Kommunen, die es sich durchaus leisten können, die Nivellierungssätze zu unterschreiten. Oder anders gesagt: Die im LFAG festgelegten Nivellierungssätze haben keine unmittelbare Auswirkung auf die Anwendung des kommunalen Haushaltsrechts (Gemeindeordnung, Gemeindehaushaltsverordnung, Landkreisordnung etc.).

Aber, wenn die Nivellierungssätze keine unmittelbare Auswirkung auf die kommunale Selbstverwaltung haben, sie also durchaus über- oder unterschritten werden können (oder müssen), wieso gibt es sie dann?

Es gibt gleich mehrere Gründe (Quelle: www.kfa-reform.rlp.de): Nivellierungen schaffen für die Kommunen den Anreiz, die eigenen Steuerarten ggf. stärker auszuschöpfen, also i.d.R. die eigenen Hebesätze an die Nivellierungssätze nach oben anzupassen. Denn höhere Steuereinnahmen, die dank angehobener Hebesätze (oberhalb der Nivellierungssätze) fließen, werden im KFA nicht berücksichtigt, sie mindern also z.B. nicht die Schlüsselzuweisungen des Landes aus dem KFA gegenüber der Kommune.

Zugleich verhindert bzw. erschwert es die Nivellierung, dass eine Gemeinde durch Hebesätze unterhalb der Nivellierungssätze die eigenen (Steuer-)Bürgerinnen und Bürger schont und sich zusätzliche Einnahmen über Schlüsselzuweisungen vom Land, d.h. von allen Steuerzahlern des Landes, beschafft. Es soll also nicht belohnt werden, die eigenen Bürger:innen zu entlasten (z.B. aus politischen Gesichtspunkten), während der gesamte Rest des Landes dieses Handeln mittelbar mitfinanzieren muss.

Auch im Gefüge des Finanzausgleiches innerhalb der kommunalen Familie (Verbandsgemeinde-/Kreisumlagen) hat die Nivellierung eine entsprechende Funktion, denn Umlagen muss die jeweilige Ortsgemeinde oder verbands- bzw. kreisangehörige Stadt nur in Höhe der Nivellierungssätze leisten. Nimmt sie aufgrund übersteigender Hebesätze vor Ort mehr ein, muss sie hierfür auch keine Umlagen an die jeweilige Verbandsgemeinde oder den jeweiligen Landkreis zahlen. Diese verbleiben also zu 100 % im Haushalt der jeweiligen Gemeinde.

Und was passiert bei einer Unterschreitung der Nivellierungssätze?

Zunächst zu unterscheiden sind Kommunen, die es sich aufgrund einer generell hohen Finanzkraft leisten können von denen, die durch die Unterschreitung oder trotz Einhaltung der Nivellierungssätze gegen das Gebot des Haushaltsausgleichs verstoßen.

Erstere haben das umfassende Recht der kommunalen Selbstverwaltung und dürfen durch die Nivellierungssätze hierin nicht tangiert werden. Die Kommune kann also rein haushaltsrechtlich die Nivellierungssätze unterschreiten, solange sie dennoch den Haushalt in Gänze ausgleichen kann und damit ihre Aufgabenwahrnehmung sicherstellen kann. Sie muss allenfalls wirtschaftliche Nachteile in Kauf nehmen, z.B. indem sie geringere Zuweisungen aus dem KFA erhält oder projektbezogene Förderungen nicht oder nicht in gleich starker Höhe gefördert werden. Das ist aus Solidaritätsgesichtspunkten auch völlig richtig, denn wer finanzstark ist, benötigt weniger Hilfe aus dem Topf der Gemeinschaft. Auch muss sie wohl in Kauf nehmen, dass sie an ihre Verbandsgemeinde oder ihren Landkreis Umlageleistungen leisten muss, die sich an den Nivellierungssätzen orientieren. Sie zahlt also Umlage für Steuereinnahmen, die sie letztlich vor Ort nicht realisiert. Diese Nachteile sind vor Ort mit den politischen Argumentenabzuwägen (z.B. gestiegene Attraktivität für Betriebsansiedlungen bei einem unterdurchschnittlichen Gewerbesteuersatz). Das Haushaltsrecht per se steht bei einem weiterhin ausgeglichenen Haushalt m.E. nicht entgegen.

Unterschreiten hingegen Kommunen die Nivellierungssätze, die ihren Haushalt hierdurch oder ganz generell nicht ausgleichen können, dürften in aller Regel schon die Kommunalaufsichtsbehörden im Rahmen ihrer Rechtsaufsicht gehalten sein, die Kommunen auf die Anpassung der Hebesätze zu verweisen (ggf. entsprechende kommunalaufsichtliche Mittel anzuwenden, z.B. Anordnung). Hier ist die Begründung schlüssig: Man kann nicht einerseits vom Land erwarten, Finanzhilfen im Wege des KFA zu erhalten, während andererseits eigene Einnahmepotentiale nicht ausgeschöpft werden und die Aufgabenwahrnehmung vor Ort dadurch gefährdet wird. Das ist schlicht unsolidarisch gegenüber all jenen, die ihre Einnahmequellen angemessen und mindestens an den Nivellierungssätzen orientiert ausschöpfen.

Warum wurden die Nivellierungssätze mit der jüngsten Reform angehoben?

Die Entscheidung, die Nivellierungssätze bei der Grund- und der Gewerbesteuer anzuheben, folgt vor allen Dingen aus dem Urteil des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Dezember 2020 (Az.: VGH N 12/19, VGH N 13/19, VGH N 14/19).

Hierzu der VerfGH in seinem Urteil (Randnummer 58):

„Allerdings garantiert der Anspruch auf eine angemessene („aufgabenadäquate“) Finanzausstattung keine Vollfinanzierung kommunaler Aufgaben im Sinne einer kompletten Kostenerstattung (…). Zum einen hat das Land bei der Ermittlung des kommunalen Finanzbedarfs die eigenen Einnahmequellen der Kommunen zu berücksichtigen und zu prüfen, ob bestehende Einnahmepotentiale umfassend ausgeschöpft wurden (…). Zum anderen müssen sich nicht sämtliche Ausgaben der Kommunen zwangsläufig als ausgleichsrelevant darstellen. Aus der Pflicht des Landes zur Sicherung der „erforderlichen Mittel“ nach Art. 49 Abs. 6 Satz 1 LV folgt, dass Aufwendungen, die das Gebot wirtschaftlicher und sparsamer Haushaltsführung nicht beachten, unberücksichtigt bleiben dürfen (…).“

Vereinfach gesagt lässt sich das m.E. so interpretieren: Die Kommunen sind gehalten, ihre Einnahmepotentiale auszuschöpfen, wenn sie andererseits bei der Ermittlung des kommunalen Finanzbedarfs gerecht behandelt werden wollen. Es geht also um eine größtmögliche Kraftanstrengung bei der Einnahmeerzielung durch die Kommunen.

Hierzu der VerfGH in seinem Urteil (Randnummer 103):

Verfassungsrechtlich unbedenklich ist es, wenn der Gesetzgeber im Rahmen der Neukonzeption die auch bei den Kommunen bestehenden Einflussmöglichkeiten berücksichtigt und von ihnen eine größtmögliche Kraftanspannung fordert. (…)

Insoweit hat das Urteil des VGH selbst dazu aufgerufen, seitens des Gesetzgebers zu überprüfen, ob nach aktuellen Gesichtspunkten die kommunalen Einnahmepotentiale noch ausreichend ausgeschöpft werden und die Kommunen wirklich eine „größtmögliche Kraftanstrengung“ leisten. Auch das Oberverwaltungsgericht (Urteil vom 17. Juli 2020), wie auch der Landesrechnungshof in seinen bisherigen Kommunalberichten, haben sich in diese Richtung geäußert.

Wie hoch sind die Einnahmepotentiale? Wie hoch ist eine „größtmögliche“ Kraftanstrengung? Wie viel ist da angemessen?

Die umfassende Dokumentation des Innenministeriums (hier ab Seite 426) gibt hierüber Aufschluss:

Eine Anpassung der Nivellierungssätze für die Realsteuern (Grundsteuer A und B sowie Gewerbesteuer) erfolgte letztmals im Zuge der Reform des KFA mit Wirkung zum 1. Januar 2014. Die aktuelle Anhebung geschieht bei der Grundsteuer A und B jeweils in Anlehnung an den Durchschnitt der Flächenländer. Bei der Gewerbeteuer bleibt die Anhebung des Nivellierungssatzes leicht hinter dem Bundesdurchschnitt zurück. Die vergleichsweise maßvolle Anhebung des Nivellierungssatzes der Gewerbesteuer erklärt sich vor allem aus wirtschaftspolitischen Gründen. Sollten sich die Gemeinden bei der Festsetzung ihres tatsächlichen Hebesatzes an einem (zu hohen) Nivellierungssatz orientieren, besteht – insbesondere bei Mehrbetriebs-Unternehmen – die Gefahr der Standort- bzw. Gewinnverlagerung über die Grenzen von Rheinland-Pfalz hinaus. Unter Berücksichtigung dessen erfolgt nur eine moderate Anhebung des Nivellierungssatzes, während keine Gemeinde daran gehindert ist, je nach örtlichen Verhältnissen auch einen höheren Hebesatz festzusetzen.

Quelle: Innenministerium RLP

Als Maßstab wurde also nicht irgendeine „gewürfelte Zahl“ herangezogen, sondern auf den Bundesdurchschnitt der Flächenländer abgestellt. Das Statistische Bundesamt teilt im Rahmen der Realsteuervergleiche die Durchschnittswerte der Flächenländer mit. Diese sind in Rheinland-Pfalz unterdurchschnittlich. Insoweit ist eine Anpassung der Nivellierungssätze m.E. auch im bundesweiten Kontext gerechtfertigt. Menschen in anderen Bundesländern zahlen bisweilen bspw. deutlich mehr Grundsteuer als in RLP. Auch im Kontext bundesweiter Finanzkooperationen gilt es, das zu berücksichtigen.

Der Vergleich mit anderen Bundesländern ist hier ganz generell angebracht, denn so hängen auch viele politische Ziele und Bestrebungen an der Solidarität mit anderen Bundesländern. Hier sei beispielsweise das Bestreben des Landes Rheinland-Pfalz nach einer hälftigen Übernahme der kommunalen Liquiditätskredite durch den Bund genannt. Das Land Rheinland-Pfalz hat hierfür bereits 3 Milliarden Euro bereitgestellt, um etwas mehr als die erste Hälfte der kommunalen Liquiditätskredite zu übernehmen. Der Bund könnte es für den anderen Teil gleichfalls tun. Aber wie soll man gegenüber dem Bund und den anderen 15 Bundesländern guten Gewissens nach einer solchen Unterstützung fragen, wenn man im Land Rheinland-Pfalz bei der Hebung von Realsteuern eigene Einnahmepotentiale nicht nutzt, die hingegen in anderen Bundesländern mehr ausgeschöpft werden?

Wieso wird dann die Anhebung der Nivellierungssätze in den Kommunen so kritisiert?

Das kann ich letztlich – auch als Kommunalpolitiker – nur vermuten. Klar, die Zeit in der die Anhebung von Hebesätzen bei den Gemeindesteuern in die Diskussion vor Ort fällt, ist in Zeiten der gegenwärtigen Inflation, der Preissteigerungen und der allgemeinen wirtschaftlichen Herausforderungen für die gesamte Gesellschaft alles andere als einfach.

Als örtlicher Gemeinderat oder Ortsbürgermeister sieht man sich hier an der „Basis“ natürlich den heftigsten Debatten ausgesetzt. Insoweit wird die Anhebung von Hebesätzen wegen gestiegener Nivellierungssätze vor Ort sicherlich keine Begeisterungsströme auslösen. Indes wird der Bevölkerung nur schwer zu vermitteln sein, was die Gründe hierfür sind und wieso das Land diesen Weg entschieden hat. Alleine die o.a. Ausführungen, die nur allgemein und kurz zusammengefasst sind, vermögen nicht jeder Mitbürgerin und jedem Mitbürger das Verständnis hierfür zu vermitteln.

Ich wünsche mir trotz allem menschlichen Verständnis zu der emotionalen Reaktion vor Ort, dass die finanzwissenschaftlichen und verfassungsrechtlichen Argumente deutlicher in den Fokus der kommunalpolitischen Debatte geraten. Die Debatte allein auf eine „Steuererhöhung durch die Hintertür“ zu reduzieren und zu glauben, der Staat könne seine Aufgaben auch künftig ohne eine angemessene Gegenfinanzierung wahrnehmen, wird der Sache jedenfalls nicht gerecht.

Abschließend: Keiner beschließt solche Steuererhöhungen gerne. Es ist höchst unangenehm, Mitbürgerinnen und Mitbürger zur Kasse zu bitten. Allerdings, und das kann ich Ihnen als Abgeordneter des Parlaments bestätigen, gilt das auch für mich als Landtagsabgeordneter. Manchmal gehört es aber auch zur politischen Verantwortung, unangenehmere Entscheidungen zu treffen.

Ich hoffe, ich konnte mit diesem kleinen Artikel ein wenig Klarheit schaffen und die Hintergründe beleuchten, die in den emotionalen Debatten häufig nicht gesehen werden.

Falls Sie weitere Fragen zu diesem Thema haben, kontaktieren Sie mich gerne!

Ihr Markus Stein